Ab in die Natur und ein bisschen Kultur(schock?)
- Lisann Hoefer
- 20. Okt. 2022
- 6 Min. Lesezeit
Alto de San Miguel
Der Río Medellín zieht sich einmal durch die komplette Stadt. Die Metrolinie A fährt direkt am Fluss entlang, welcher Medellín in Westen und Osten teilt und immer den Blick zu den Bergen bietet. Medellín ist tatsächlich die einzige Stadt in Kolumbien die eine Metro besitzt. Zur Hauptverkehrszeit ist es auch auf jeden Fall schneller als mit dem Auto – trotz weniger Metrolinien. Denn es kann wirklich sein, dass der Verkehr steht. Motorradfahrer stört das meist nicht, sie fahren wie verrückt Slalom zwischen den stehenden Fahrzeugen. Einmal hat einer fast den Spiegel meines Taxis abgefahren...
"Ein absolutes Chaos auf den Straßen"
Der Verkehr hier ist super wild und es passieren so einige Unfälle... Außerdem gibt es hier so viele Einbahnstraßen, dass manchmal richtige Umwege gefahren werden müssen und es dadurch wirklich lange dauern kann von A nach B zu kommen.
Aber von dem Kulturschock wieder zurück zum Natur-Blog:
Der Fluss Medellín ist eigentlich immer braun und schmutzig, da möchte man nicht drin Baden. Aber ich war tatsächlich in diesem Wasser, bloß außerhalb der Stadt, wo das Wasser sauber ist. Der Fluss ist insgesamt ca. 100km lang, jedoch sind nur die ersten 8km sauber.
Um eine wunderschöne und entspannte Wanderung zu machen, sind wir erstmal mit Metro und Bus ganz in Süden bis nach Caldas gefahren und dann von dort weiter südlich flussaufwärts gegangen.
Die Wanderung war zwar flach, jedoch gute 12km hin und zurück und oft durch Match und Sumpf. Wir sind bis zum Tor des Gebietes gegangen, welches nur mit Spezialerlaubnis betretbar ist. Aber bis dahin war die Landschaft des "Alto de San Miguel" schon wunderschön: Wiese, Dschungel und Fluss, und auch Kühe kreuzten unseren Weg. Außerdem stand ich unter einem Wasserfall und kann nun sagen: “ich war in diesem Fluss”, wenn ich in der Stadt den Fluss (nur dort etwas dreckiger) überquere.
Es hat an diesem Tag drei mal heftig geregnet und dann kam die Sonne zwischendurch auch immer wieder raus. Aber nach dem dritten Schauer, waren wir bis auf die Unterwäsche nass und wir mussten ja noch solange wieder nach Hause fahren. Ich hab so gefroren. Zum Glück gab es eine Belohnung in der Stadt: ein wunderschöner doppelter Regenbogen.
Und zuhause gab es dann eine verdiente heiße Dusche und Netflix im Bett.
Apropos, die Duschen hier zeigen gut wie verrückt die Kolumbianer sind. Sie heizen das Wasser mit Strom, das heißt Stromkabel sind in meiner Dusche.
"Verrückt sind die Kolumbianer*innen"
Aber ich will mich nicht beschweren, wenigstens hab ich eine heiße Dusche...
Apropos Wasser, was ein sehr positiver "Nicht-Kulturschock" hier war, war, dass das Leitungswasser in Medellín trinkbar ist. Sehr praktisch für mich, da ich nicht immer Wasserflaschen schleppen muss. Aber sobald ich mich außerhalb von Medellín befinde, muss das Wasser dann gekauft werden.
Jardín Botanico
Der kleine Botanische Garten in der Nähe der Universität von Antioquia ist auf jeden Fall einen Ausflug wert. Mit ein paar Freunden habe ich die Natur in mitten der Stadt genießen können. Doch leider, wie so oft hier, überraschten uns dunkle Regenwolken und eine Dusche vom Himmel. Wir machten ein Kaffeepäuschen in dem fancy Restaurant innerhalb des Botanischen Gartens und hörten den Regen auf das Dach prasseln.
"Bin halt in den Tropen"
Regen gehört hier einfach dazu. Wie schon bei der Wanderung in Alto de San Miguel oder im Botanischen Garten, aber auch sonst schütten die Engel täglich das Wasser in Eimern vom Himmel.
Aber irgendwie muss ja auch alles so schön grün werden. Kolumbien ist das zweitreichste Land in Bezug auf Artenvielfalt pro Flächeneinheit und mit seiner überaus hohen Biodiversität und endloser Zahl an Arten, Gattungen und Ökosystemen zählt Kolumbien zu den Megadiversitätsländern dieser Welt. Das ist schon ein cooler Fakt über dieses Land. Und wo ich das besonders spüren kann, ist durch die vielen tropischen Früchte, von denen ich teils das aller erste Mal hörte, als ich hier her kam.
"Und was ist das für eine Frucht?"
Drei von diesen Früchten mögen für euch bekannt sein. Höchstens ist noch verwirrend, dass die Orange eine grüne Schale hat. Aber außerdem zu wissen: die Ananas schmeckt hier so viel leckerer. Die Bananen auf dem Foto sind Platanos (Kochbananen); angebraten mit in die Gemüsepfanne, mit in die Suppe oder zerdrückt als Fladen frittiert (Patacones) – in jeder Form super lecker. Rechts seht ihr eine Granadilla. Wie die Maracuja zählt auch sie zu den Passionsfruchtgewächsen. Allerdings sind die Kerne deutlich größer. Meine Kommiliton*innen sagten mir aber, ich solle nicht auf die Kerne beißen, einfach runterschlucken.
Links seht ihr die Mangustine (ich glaube das ist ihr deutscher Name). Die Frucht sieht innen wie eine Knoblauchzehe aus, doch das weiße Fruchtfleisch schmeckt süß und etwas ähnlich wie eine Lychee. Ein cooler Funfact über die Mangustine: Die Unterseite der harten, ledrigen Haut hat eine Blume. Die Anzahl der Blütenblätter auf der Blume entspricht der Anzahl der leuchtend weißen Fleischsegmente im Inneren.
Die Frucht rechts ist auch ähnlich wie ein Lychee. Sie heißen "Mamones". Das Fruchtfleisch ist nicht super viel und klebt sehr am Kern, aber es lohnt sich vom Geschmack.
"Wie viel kostet das?"
Die Preise auf den Märkten sind unheimlich günstig. Ich – als Deutsche – kann hier tatsächlich leben wie eine Königin. Das Ding ist nur, am Anfang habe ich immer in den Supermärkten eingekauft, was nicht "so super günstig" war. Doch das Obst und Gemüse ist in den kleinen Läden oder auf Märkten einfach ein absoluter Schnapper.
Die Zapote gibts in vielen Varianten. Hier in Kolumbien ist ihr Fruchtfleisch Orange. Sie ist faserig und aromatisch. Aber es ist wirklich schwer, den Geschmack dieser neuen Früchte zu beschreiben. Und es gibt sooo viele.
Und ich möchte euch gar keine neuen Früchte mehr vorstellen und euch neidisch machen, aber noch eine andere kleine Zusammenfassung von neuen Obsterfahrungen meinerseits: Die Mango wird hier teils noch grün gegessen und heißt Mango Biche. Es gibt so viele Arten von Passionsfrüchten hier. Die Bananen gibt es auch als Miniversionen, die ein bisschen süßer und cremiger sind. Die meisten Menschen kennen hier die gelbe Zitrone nicht; gibt halt nur Limetten. Wenn du z. B. Mango an der Straße – schon geschnitten – kaufst, wird dies typisch mit Limettensaft und Salz verspeist. Ein Obst, was in Deutschland deutlich besser schmeckt, ist die Erdbeere. Die Avocados gibts hier in riesig. Und eine meiner neuen Lieblingsfrüchte ist die saure Lulo, vor allem als Saft oder im Cocktail.
Ich könnte jetzt ewig so weiter erzählen, denn es gibt noch soo viele weitere besondere und interessante Früchte hier. Aber auch ich habe noch nicht alles ausgetestet. Alle Früchte würden auch deutlich den Rahmen dieses Blogs sprengen.
Also weiter im Thema Natur.
Chorro de Las Champanas und Salto del Ángel
An einem Sonntag bin ich mit Freunden (von Freunden) zu zwei Wasserfällen gewandert. Wir sind wieder mit Metro und Bus gefahren; zwar nicht so lange wie beim Wandern im Alto de San Miguel, aber bei einer Station haben wir noch gewartet auf eine Freundin und ihre Tochter. Die Verspätung war noch vertretbar, aber Verspätungen gehören hier zum Alltag dazu.
"Und schon wieder zu spät"
So lange es hier um Freizeitaktivitäten geht, wird die Zeit nicht so ernst genommen. Die Kolumbianer*innen sind halt einfach entspannter im leben unterwegs. Trotzdem kann es manchmal echt nervig sein, wenn ich z. B. eine halbe Stunde auf meinen Tanzlehrer warten muss. ... naja, weiter im Text:
Der Chorro de Las Champanas ist eine Bachwanderung und wir durchquerten immer wieder das kalte Wasser. Es waren viele Wandernde unterwegs, weswegen wir an diesem Hotspot nicht lange Halt machten. Wir gingen weiter zu einem Aussichtspunkt auf den Wasserfall Salto del Ángel – nicht mehr im Wasser, sondern wirklich steil bergauf, fast eher geklettert sind wir. Dort haben wir ein leckeres und verdientes Picknick gemacht. Jeder hat was mitgebracht: Obst, Gemüse, spanische Tortilla von einer Freundin aus Madrid und sogar selbst gebackenes Brot.
La Catedral (Prisión)
La Catedral war ein drei Hektar großer Landsitz, der Pablo Escobar vom 19. Juni 1991 bis zu seiner Flucht am 22. Juli 1992 als privates Gefängnis diente. Auf dem Rückweg gingen wir dort vorbei und bestaunten dieses Gelände. Wer mehr zum Thema Pablo Escobar und Medellín erfahren will, sollte in den Blog von der Comuna 13 reinschauen.
"FREUNDLICHKEIT wird hier groß geschrieben"
Als Kontrast zu diesem Ort möchte ich die Freundlichkeit der Menschen hier ansprechen. Der Hauptgrund, weswegen ich mich hier so wohl fühle. Die Menschen sind herzlich offen und einfach, wenn es ums Socializing geht. Da wir nach unserer Wanderung wirklich kaputt waren, doch (wie wir nicht wussten) sonntags keine Busse dort fahren, hätten wir eigentlich noch echt lange gehen müssen. Und zwar Straße und viele Serpentinen bergab. Aber ein netter Fremder war so lieb, uns zu sechst mitzunehmen und zur nächsten Bushaltestelle zu bringen. Ich war mit "Locals" unterwegs, weswegen ich mich wohl gefühlt habe. Alleine würde ich sowas vielleicht nicht machen.
Ganz ungefährlich ist es hier nämlich trotzdem nicht. Deswegen gilt immer ganz besonders Acht geben und
"Keine Papaya geben"
Was so viel bedeutet wie, nicht mit Markenklamotten rumzulaufen, nicht sein Smartphone auf der Straße zu benutzen oder generell viel Geld zu zeigen; in welcher Form auch immer.
Mir ist zum Glück noch nichts Schlimmes passiert, aber ich höre doch oft von Leuten dessen Handy und Co. geklaut wurde.
Wegen dieser Gründe fahre ich sehr viel UBER. Strecken, die ich sonst vielleicht gehen würde, sind – gerade nachts – mit dem Taxi eben sicherer.
Ich beende den Blog mit den Worten:
"Bleibt sicher wo auch immer ihr seid und gebt auf euch Acht!"
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