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Eine unglaubliche Entwicklung der Stadt – Comuna 13

  • Autorenbild: Lisann Hoefer
    Lisann Hoefer
  • 1. Sept. 2022
  • 7 Min. Lesezeit

Die Comunas (Stadtteile)

Medellín ist in 16 Stadtteile, die sogenannten "Comunas" aufgeteilt und besitzt ungefähr 2,5 Millionen Einwohner. Ich wohne zum Beispiel in Comuna 11, auch Laureles-Estadio genannt. Diese 16 Stadtteile sind meist sehr groß und nochmal extra in kleinere Bezirke (Barrios) unterteilt.

San Javier und andere Stadtteile am Rande von Medellín

Mit rund 43,5 Einwohnern auf 1000 m² zählt San Javier zu dem am dichtesten besiedelten Gebiet der Stadt Medellín. Die gesamte Anzahl der Bewohner in diesem Gebiet liegt wahrscheinlich jedoch wesentlich höher, da nicht alle Personen gemeldet sind. Das Gebiet befindet sich überwiegend an steilen Hängen und die Menschen leben in sehr ärmlichen Verhältnissen. In Kolumbien ist es üblich, dass im Zentrum die "Reichen" wohnen und in den Randgebieten die "Armen". Es ist ein bisschen wie mit Ringen, die sich vom Zentrum nach außen bewegen; je weiter außen, desto ärmlicher. Da Medellín von Bergen umgeben ist, wohnen die Menschen in den äußeren Gebieten meist an Hängen. Neben einer schönen Aussicht halten sich die Vorteile jedoch in Grenzen. Die Straßen sind unheimlich steil, kaputt und eng. Dadurch, dass viele ohne Genehmigung gebaut haben, sehen die Häuser sehr unfertig aus und wurden Hauswand an Hauswand gebaut.

Es ist üblich, dass die nächst jüngere Generation einer Familie ein neues Stockwerk oben drauf baut, so ist eigentlich immer zu erkennen, wie viele Generationen in einem Haus leben. oft gibt es gar keine richtigen Straßen mehr sondern steile Treppen oder Fußwege, die sich zwischen den Häusern hindurch schlängeln. Die Verbindung zum Stadtzentrum, d. h. dem Leben und v. a. der Bildung ist schlecht, sodass es schwierig ist, aus der Armut auszubrechen.


Die Geschichte von La Comuna 13

La Comuna 13, auch San Javier genannt, hat eine der jüngsten und bewegtesten Geschichten der Stadt. Die Regierung hat nach einer blutigen Vergangenheit von San Javier versucht die Comuna wirtschaftlich zu stärken und besser mit dem Stadtzentrum zu verbinden. Die Comuna war bis in die 2000er hinein vor allem wegen seiner extremen Armut und hohen Mordrate bekannt, und wurde immer wieder Schauplatz von kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Drogenbanden.

Der Name Pablo Escobar sollte hier auch nicht zu laut gesagt werden, das ist ein bisschen vergleichbar mit "He-Who-Must-Not-Be-Named"... Denn noch in den 1980er Jahren litt der Stadtteil unter dem so genannten Medellín-Kartell, welches durch die starken sozialen Spannungen, großen Klassenunterschiede, Arbeitslosigkeit, den anhaltenden Bürgerkrieg und durch große Gewaltbereitschaft in San Javier mit bedingt war. Medellín verzeichnete in dieser Zeit mit mehr als 380 Tötungsdelikten auf 100 000 Einwohner die angeblich höchste Mordrate weltweit.


Eine Graffiti Tour bringt uns die Geschichte näher

2004 begann jedoch dann eine sehr positive Entwicklung. Die ich – wie ich sie auch erklärt bekommen habe – an beeindruckenden und aussagekräftigen Graffities erklären werde.

Die bekannte Graffiti Tour habe ich zusammen mit Maya gemacht, eine Reisende aus den Vereinigten Staaten. Ich habe sie unterwegs kennen gelernt. Sie war nur eine kurze Zeit in Medellín, hatte aber von ihrem Cousin, der dort lebt, einen guten Kontakt eines Tourguides: Felipe, oder auch von allen "Pépe" genannt. Es war super cool in einer so kleinen Runde die Tour zu machen. Pépe wurde entweder von irgendwem gegrüßt oder er hat uns mit seine Leuten bekannt gemacht. Wir hatten wirklich das Gefühl, er führt uns einfach in seiner Heimat herum. Als Künstler, hat er uns nicht nur die Graffities selbst erklärt, sondern uns auch die Geschichte mancher Künstler näher gebracht.

Links ist das Gesicht einer Frau aus Holz und am Hals aus Ziegelsteinen. Dies steht für die Häuser die teils illegal an den Hang gebaut wurden. Rechts ist das Gesicht einer Frau zu erkennen, dessen eines Auge in einem Rahmen mit freundlicheren und hoffnungsvolleren Farben zu sehen ist. Die Flagge Kolumbiens und Pflanzen wachsen auf dieser Seite. Es steht für die positive Entwicklung Medellín. Der Rest des Gesichts hält sich in kühleren Farben und bietet den Kontrast. Neben dem Gesicht wirft eine Hand ein paar Würfel. Auf einem Würfel steht „C13“; auf dem anderen „16.10.2002“.


"Die Karten werden neu gemischt."

Am 16. Oktober 2002 befahl der damalige Präsident Kolumbiens, Álvaro Uribe, (auf Bitte des damaligen Bürgermeisters) der nationalen Armee, die Comuna 13 zu erobern: eine gewaltsame Intervention, die sich über Jahrzehnte angebahnt hatte.

Sie nannte sich die „Operation Orión“. 1.500 Soldaten und Polizisten drangen in die Comuna 13 ein, begleitet von Helikoptern, Geheimdienst und militärischen Einheiten. Bewaffnete Gruppen, welche aus dem von Pablo geborenen "Kokain-Kartell" hier ihren Hauptsitz hatten, sollten aus dem Viertel vertrieben werden. Aber neben diesem Ziel, wurden zudem militärische Einheiten längerfristig installiert, und es kamen 88 Menschen ums Leben und 92 Bewohner der Comuna verschwanden, ohne dass sich jemals wieder eine Spur von ihnen fand.

Dieses Graffiti steht für die Verwundung. Die Schusslöcher in den Händen und das große Loch in der Brust machen diese Verletzung des Stadtteils sehr deutlich. Viele der Opfer fordern noch immer Aufklärung und Gerechtigkeit. Die Meinungen über die Operation Orión gehen auseinander: Die "Drogen-Gangs" wurden eliminiert und die Comuna 13 wurde zurückerobert, aber zu welchem Preis? Einige glauben, dass der Zweck nicht die Mittel heilige. Andere betrachten die Operation als bitter, jedoch aber als notwendig, als eine letzte Möglichkeit, die dem Viertel endlich Befreiung brachte. Nicht bestritten wird jedoch, dass diese Tage eine Schlüsselrolle spielten. In Comuna 13 wird von einer Zeit vor der Operation Orión und einer Zeit danach gesprochen.

Jedoch bildeten die rechten paramilitärischen Einheiten für zwei weitere Jahre die Regierung in Comuna 13. Sie verurteilten diejenigen, die sie für ihre Feinde hielten, richteten sie hin oder ließen sie „verschwinden“. 2003 ergaben diese Gruppen sich und der Staat hatte dann das Sagen und dies bis heute.

Aber es gibt Beweise dafür, dass eine paramilitärisch-kriminelle Gruppe unter der Leitung von Escobars Nachfolger Don Berna die Stadt jahrelang unter Kontrolle hatte. Die Banden sind noch immer sehr mächtig. 2011 und 2012 ermordeten Banden, um ihre Macht aufrecht zu erhalten, ein Dutzend Rapper aus der Comuna 13, die sich gegen sie ausgesprochen hatten. Dennoch ist das Ausmaß der Gewalt drastisch gesunken: Die Zahl der Morddelikte in Medellín sank zwischen 1991 und 2014 insgesamt um 80 Prozent.


Hip Hop gibt Hoffnung

Die eben genannten Rapper stammen aus der Bewegung, die der Comuna 13 geholfen haben und auch immer noch stark prägen: Hip Hop. Neben dem von 2004-2007 amtierenden Bürgermeisters Medellín, Sergio Fajardo, der sehr sich sehr für die Entwicklung einsetzte und die Vernachlässigung der letzten Jahrzehnte wieder gut machen wollte, war zum Beispiel die Schule der Künste "Casa Kalacho" die Geburtsstätte neuer Hoffnung. Hip Hop ist nicht nur ein Musik Genre. Hip Hop besteht aus Graffiti, Rap, DJing, Breakdance, Wissen und Gemeinschaft.

In der Comuna 13 gibt es viele musikalische Beiträge (für die immer mehr werdenden Touristen). Streetdance, Rap und DJs geben Einblick in die Gemeinschaft, die Stärke, Zuversicht und Freude der Menschen. Denn vor nicht all zu langer Zeit wäre das alles so nicht möglich gewesen.

Graffities von Elefanten, welche bekanntlich ein sehr gutes Gedächtnis haben, stehen für die Erinnerung und das auch die Menschen hier, sich immer erinnern möchten, an das was geschah, sodass es nie wieder so schlimm wird.


Seilbahnen und elektrische Rolltreppen

Der Bürgermeister Sergio Fajardo setzte sich für die Infrastruktur der Stadt ein, sodass die Menschen die weit oben am Hang wohnen, besser mit dem Stadtzentrum verbunden sind. Außerdem war es ihm sehr wichtig die – wie er sie nannte – "historische Schuld" zu begleichen. Es wurde unter anderem ein Müllentsorgungssystem entwickelt und nicht zuletzt mehrere Seilbahnen erbaut. Der nachfolgende Bürgermeister musste von den werkelnden Ingenieuren überzeugt werden, Freiluft-Rolltreppen zu installieren. Die Rolltreppen wurden Ende 2011 eröffnet, sind 16 Stunden pro Tag am Laufen und überwinden einen Höhenunterschied von insgesamt 28 Stockwerken.

Medellín wurde 2013 als „die innovativste Stadt der Welt“ ausgezeichnet. Seitdem hat der Tourismus explosionsartig zugenommen. Die Besucher kommen aus der ganzen Welt um sich die transformativen Möglichkeiten des sozialen Städtebaus anzuschauen.

Mein erstes Mal in der Comuna 13 war ich mit Annika und Sabrina während eines großen Stadtfestes in Medellín. Es war sooo voll, aber es war ein schöner Nachmittag mit gutem Wetter und erfrischenden Getränken wie zum Beispiel einer Limonada de Café, von welcher ich sehr positiv überrascht war. Wer kann sich schon kalten Kaffee mit Limettensaft vorstellen? Aber es ist wirklich gut! Wir haben natürlich die wahnsinnige Aussicht genossen und ein typisches Fruchteis gegessen, welches in Limettensaft mit Salz getunkt wird.

Nicht nur viele Wände sind bemalt oder besprüht, es gibt auch viele Kunstgalerien. Und es ist möglich originale Werke oder Drucke zu erwerben. Ein besonders cooler Spot ist eine kleine Galerie mit Schwarzlicht, ähnlich wie Neon-Minigolf in Deutschland.

Mit Maya habe ich dann auch die bekannte Rutsche ausprobiert. Diese Rutsche wurde in Gedenken an die Kinder erbaut, die damals 2002 bei den Auseinandersetzungen des Einsatzes Orión umgekommen sind. Es geht darum, kurz innezuhalten und an seine Kindheit zu denken bevor gerutscht wird.

Den Abend haben wir mit ein paar Bierchen und netter Gesellschaft genossen. Den Sonnenuntergang von hier oben zu sehen und wie die Stadt langsam im Lichtermeer unterging, war einfach unheimlich schön.


Der Kontrast – Ein Rooftop in El Poblado

Der Tourismus boomt, und das wohl am meisten in la Comuna 14, welche eigentlich nur Poblado genannt wird. Hier gibt es Wolkenkratzer, Hotels und die längsten Parties. Annika und ich haben uns mal einen Abend so richtig gegönnt und die Zeit im Whirlpool auf einem Rooftop einer der Sterne-Hotels verbracht.


Und sonst ein kleines Update

Ich fühle mich immer noch sehr sehr wohl hier.

Den einen Tag haben Sabrina und ich ein Hostel in der Nähe ausgecheckt, wo es ein kleines Konzert gab. Wir hatten viel Spaß und haben unter anderem die Hängematten für eine Weile beansprucht. Die Uni macht auch Spaß und ich lerne soo viel. Alle Klassen sind sehr praktisch, weswegen es trotz Sprachbarriere gut funktioniert.

Außerdem habe ich mir auch endlich mal mehr Zeit für mich genommen und einfach mal einige Abende nichts gemacht. Ich versuche auch die kleinen Dinge mehr zu genießen, wie zum Beispiel dieser unglaubliche Himmel auf einem der Fotos. Schließlich bin ich nicht nur Tourist hier, sondern wohne und lebe hier gerade. Es tut sehr gut, das Tempo ein bisschen runter zu fahren (Oder zumindest die Geschwindigkeit mal ab und zu zu wechseln).

Freundschaften wachsen und entstehen und damit stelle ich euch noch Eliza vor. Wir haben sie beim Tanzen kennengelernt. Einfach eine gute Seele und schon bald machen wir zusammen mit ihr fünf Tage Urlaub an der Pazifikküste, um die Wale zu sehen, die gerade die Gewässer dort durchqueren. Mit diesen Worten Tschüss und bis bald.

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